schau an| EDITORIAL
Gucken und Fühlen
Sachen, die da sind warfen für mich als Kind jede Menge Fragen auf: WARUM IST DAS SO GEMACHT; geschliffen, geflochten, oder beschriftet? Wie fühlt sich der Türgriff, die Blattkante oder Samt an, wie ist das gemacht und wer hat sich so eine Maschine überlegt?
Am meisten beschäftige ich mich schon immer mit Vorbereitungen; Eine besonders glücklich machende Art der Vorbereitung ist es, wenn Werkzeug und Zutaten selbst gemacht sind.
Je nach Jahreszeit und Materialfundus variiert so ein Angebot zwischen Apfelbaumrinden für goldgelbe Farbe und schwarzer Tintlingstusche aus den zwei Tage vorher gefundenen Pilzen. So funktioniert eine strahlend gelbe Apfelbaumrindenlösung als fast lichtechte Stofffarbe genauso wie als Tusche, um eine Apfelbaumzeichnung zu kolorieren.
Das erzähle ich nur, um wieder einmal auszuschweifen; Alles hängt mit Allem zusammen – ich kann also nicht einen Baum zeichnen, ohne an die Bedingungen und vielen Beziehungen zu denken, die den Baum wachsen lassen: warum er da steht, wer ihn gepflanzt hat, was auf unter, neben und wegen ihm wächst und lebt, ja und ob ich mit seinen Früchten etwas anfangen kann, darf, muss.
Dann sprießt es weiter in den Verzweigungen, den ökologischen und ökonomischen, biologischen und anderen Nischen, Gedankenarbeit im unterirdischen Wurzelgeflecht oder Gespräche im himmelwärts Verästelten.
Doris Müller